Zur Person: Dr. Marc Zain ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtschutz.

Dr. Zain hat ONRetail in seiner Kanzlei empfangen. Das Interview soll Designern und Herstellern aus der EU-Länder helfen, Risiken bei der Einführung ihrer Produkte in den deutschen Markt zu erkennen und zu vermeiden.

 

INTERVIEW
Zunächst herzlichen Dank Herr Dr. Zain, dass Sie sich bereit erklärt haben, unsere Fragen zu beantworten.

1. Ist Ihrer Einschätzung nach der deutsche Markt im Vergleich zu anderen EU-Ländern im Hinblick auf Markenschutz und Wettbewerbsrecht gesetzlich überreguliert? Was ist in Deutschland diesbezüglich anders? Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Aus meiner Sicht ist der deutsche Markt nicht überreguliert. Denn im Lauterkeitsrecht ist die Rechtslage in der EU weitgehend harmonisiert, ebenso im Kartellrecht. Das gleiche gilt im Marken- und Designrecht. Unterschiede finden sich im Wesentlichen bei der Frage, wie konsequent Verstöße verfolgt werden. Gerade im Lauterkeitsrecht werden Verstöße in Deutschland im Vergleich zum Ausland deutlich konsequenter verfolgt. Das liegt daran, dass hierfür in Deutschland keine Behörde zuständig ist, wie es in vielen anderen Mitgliedsstaaten der EU der Fall ist. In Deutschland ist die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen im Bereich des Lauterkeitsrechts vielmehr im Wesentlichen den Mittbewerbern und Verbänden, wie Wettbewerbsverbänden, Verbraucherschutzverbänden sowie den Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern übertragen. Diese sorgen für eine sehr effektive Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, die über das hinausgeht, was in anderen Ländern der EU üblich ist, zumal die Verfolgung solcher Verstöße dann über die Zivilgerichte erfolgt, die hierfür sehr effektive Verfahren bereithalten.

MERKEN SIE: Im deutschen Markt gelten weitgehend die gleichen Regelungen wie in anderen EU-Länder. Die Besonderheit liegt daran, wie die Wettbewerbsverstöße verfolgt werden. Während hierfür in anderen EU-Länder teils Behörden, zuständig, erfolgt dies in Deutschland durch Mitbewerber, Verbände zur Förderung gewerblicher Zwecke, Verbraucherschutzverbände sowie Industrie-, Handels und Handwerkskammern, die den Markt konsequent beobachten und Verstöße verfolgen. Die Ahndung von Verstößen erfolgt in Deutschland in der Regel über die Zivilgerichte, in sehr effektiven Verfahren.

2. Seit der Einführung der Textilkennzeichnungsverordnung im Jahr 2011 sind alle EU-Länder u.a. verpflichtet, die in textilen Produkten enthaltenen Fasern zu kennzeichnen. Gibt es in Deutschland, ganz konkret für die Textilindustrie, Unterschiede, die von anderen Märkten, wie z.B. Italien, Spanien, abweichen und falls ja, welche?

Texilkennzeichnung Anwalt

Dr. Marc Zain

 

Vom Grundsatz her stellt die Textilkennzeichnungsverordnung, die europaweit gilt, in ihrem Anwendungsbereich auch für Deutschland eine abschließende Sonderreglung zur Kennzeichnung von textilen Erzeugnissen dar. Dies hat der Bundesgerichtshof noch vor nicht allzu langer Zeit in seiner Entscheidung „Textilkennzeichnung“ vom 24.03.2016 (Az.: I ZR 7/15) inzident bestätigt. Die Textilkennzeichnungsverordnung wird lediglich durch ein paar weitere, in der Regel aber auch europaweit gültige Vorschriften ergänzt, wie z.B. bei Sicherheitsbekleidung durch die Vorschriften zur Produktsicherheit. Hier sei das Stichwort der CE-Kennzeichnung genannt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass, auch wenn in Deutschland die gleichen Vorschriften zur Textilkennzeichnung gelten, wie z.B. in Spanien, damit nicht automatisch in Deutschland auch die gleichen Kennzeichnungen (Etiketten o.ä.) wie in Spanien oder andere EU-Länder verwendet werden dürfen. Denn insofern sind jedenfalls die sprachlichen Besonderheiten zu berücksichtigen. Eine Textilkennzeichnung muss in Deutschland grundsätzlich in deutscher Sprache erfolgen. Das folgt aus Art. 16 Abs. 3 der Textilkennzeichnungsverordnung.  

MERKEN SIE: Die Textilkennzeichnungsverordnung gilt europaweit. Hierbei ist für in Deutschland vertriebene Textilien aber zu berücksichtigen, dass die Kennzeichnung in deutscher Sprache erfolgen muss (Art. 16, Abs. 3 der Textilkennzeichnungsverordnung). Hierneben gibt es einige weitere Regeln zu beachten, wie z.B. die Pflicht bestimmte Waren, wie etwa Sicherheitsbekleidung, mit dem CE-Kennzeichen zu versehen.

3. Was ist bei der Vermarktung von Produkten aus anderen EU-Staaten zu beachten?

Hier ist zunächst einmal darauf zu achten, dass das Produkt keine zugunsten Dritter bestehenden Schutzrechte verletzten darf, wie insbesondere Markenrechte, Designrechte, Gebrauchsmusterrechte oder Patente. Denn damit, dass z.B. in Spanien oder EU-Länder keine solchen Rechte Dritter verletzt werden, ist nicht automatisch gesagt, dass das auch in Deutschland so ist. Zwar gibt es inzwischen europaweit gültige EU-Marken und ebenso Gemeinschaftsdesignrechte mit Schutz für die gesamte EU. Hierneben gibt es solche Rechte allerdings auch weiterhin noch mit rein nationalem Schutz für Deutschland, also Marken oder Designrechte, die für andere Länder uninteressant sind, weil sie allein für Deutschland Wirkung entfalten. Bei einem Produktvertrieb in Deutschland sind diese Rechte dann allerdings sehr wohl von Bedeutung. Bei technischen Schutzrechten, wie Gebrauchsmustern und Patenten ist der Schutz in der Regel für jedes einzelne Land individuell und muss daher auch für Deutschland individuell geprüft werden. Dies kann über eine entsprechende Schutzrechtsrecherche für Deutschland gemacht werden.

Weiterhin muss geprüft werden, ob das Produkt den für es geltenden Deklarationsanforderungen entspricht, wie sie z.B. aus der Textilkennzeichnungsverordnung, bei Lebensmitteln z.B. auch aus der Lebensmittelinformationsverordnung, dem Produktsicherheitsgesetz oder weiteren Vorschriften folgen, die für das jeweilige Produkt spezielle Deklarations- bzw. Kennzeichnungspflichten aufstellen. Weiterhin ist darauf zu achten, dass das Produkt, bzw. seine Aufmachung, keine zur Irreführung geeigneten Angaben enthält, wie z.B. die Bezeichnung eines Kunstlederprodukts als „Leder“ oder einer synthetischen Isolierfüllung einer Jacke mit „Daunen“. Denn diese sind gem. den §§ 3, 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Übereinstimmung mit den Vorgaben der europäischen Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken auch in Deutschland untersagt.

Relevant sind auch Kartellrechtsverstöße, insbesondere in Form von Preisbindungen oder Preisabsprachen, die ein Hersteller mit den Händlern vornimmt. Insofern ist der Hersteller darauf beschränkt, eine unverbindliche Preisempfehlung auszusprechen. Jede sonstige Form der Preisabsprache oder Preisbindung ist unzulässig und wird von den Kartellbehörden mit hohen Bußgeldern belegt.

MERKEN SIE:
1. Das Produkt darf keine Marken-, Design-, Gebrauchsmuster- oder Patentrechte Dritter in Deutschland verletzen. Auch wenn in dem eigenen Markt keine solchen Rechte gegenüber Dritter verletzt werden, ist nicht automatisch gesagt, dass es für Deutschland so ist. Es empfiehlt sich, eine entsprechende Schutzrechtsrecherche für Deutschland durchzuführen.
2. Das Produkt muss die einschlägigen Deklarations- bzw. Kennzeichnungspflichten erfüllen und darf nicht in irreführender Weise beworben oder gekennzeichnet werden.
3. Kartellrechtlich ist insbesondere Folgendes zu beachten: Der Hersteller darf keine Preisabsprachen mit den Händlern vornehmen bzw. deren Preis binden. Der Hersteller ist insofern darauf beschränkt, eine unverbindliche Preisempfehlung auszusprechen.

4. Und wenn die Werbung irreführend ist: mit welchen Geldbußen muss man rechnen, wenn man erwischt wird?

Eine Werbung ist irreführend, wenn sie beim Verbraucher von der Wirklichkeit abweichende Vorstellungen hervorrufen kann. Hierbei kommt es nicht darauf an, wie eine Werbeaussage oder Produktaufmachung gemeint ist, sondern wie sie vom Verbraucher im Zweifel verstanden wird. Hierbei ist vom Richter darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich verständiger, informierter und aufmerksamer Verbraucher die Aussage verstehen würde, bzw. bei Werbeaussagen, die sich an Unternehmer richten, wie ein Durchschnittsmitglied der angesprochenen Unternehmergruppe sie versteht. Ist die hiernach festzustellende Fehlvorstellung geeignet, so ist sie unzulässig, wenn die Adressaten der Werbung durch sie zu einer Entscheidung verleitet werden, die er sie in Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten nicht oder nicht so getroffen hätten., Ist dies der Fall, ist die Werbung damit im Sinne des Lauterkeitsrechts irreführend und dementsprechend verboten.

Geldbußen im Sinne einer Strafe fallen insofern in der Regel nicht an, jedenfalls nicht, wenn es sich um einen ersten Verstoß handelt. Allerdings kann derjenige, der für die Irreführung verantwortlich ist, von Mitbewerbern oder Verbänden abgemahnt werden, womit bereits Kosten entstehen. Bei einer Verbandsabmahnung liegen diese in der Regel unter 300,00 €. Bei der Abmahnung durch einen Mitbewerber, der sich eines Anwalts bedient, kann das allerdings schon deutlich teurer werden und ohne weiteres schon bei einer irreführenden Werbung auch bis an die 2.000,00 € gehen. Denn einem Mitbewerber sind im Falle der berechtigten Abmahnung die ihm entstehenden Anwaltskosten zu ersetzen, bei der Verletzung von Schutzrechten wie Marken, Designs, Gebrauchsmustern und Patenten zudem etwaige zusätzliche Kosten eines Patentanwalts. Zudem können Mitbewerber auch Schadensersatzansprüche gegen den Wettbewerbsstörer geltend machen. Diese Problematik ist allerdings bei der Verletzung von Schutzrechten, wie z.B. Marken- und Designrechten bzw. technischen Schutzrechten wie Patenten und Gebrauchsmustern ungleich schwerwiegender als in den meisten Fällen der Irreführung. Verbunden mit den zugehörigen Auskunftsansprüchen des Verletzers können hier ganz erhebliche Kosten und Probleme für den Verletzter entstehen. Wurde man wegen eines Erstverstoßes berechtigterweise abgemahnt und hat dementsprechend, um den Gegner klaglos zu stellen, eine mit einem Vertragsstrafe Versprechen versehene Unterlassungserklärung abgegeben, bzw. wurde gerichtlich im Rahmen eines zusätzlichen Kosten auslösenden Verfahrens zur Unterlassung verurteilt, so wird im Falle eines dann erneuten entsprechenden Verstoßes eine Vertragsstrafe, bzw. im Falle der Verurteilung ein Ordnungsmittel fällig. Das kann je nach Verstoß in die Tausende von Euro gehen. Mit jedem neuerlichen Verstoß steigert sich das dann nochmals. Daher sollte man also tunlichst bereits den ersten Verstoß vermeiden.

MERKEN SIE: Bei irreführender Werbung fallen beim ersten Verstoß keine Geldbußen im Sinne einer Strafe an. Bei einer Abmahnung durch einen Mitbewerber können allerdings alleine mit der Abmahnung leicht Kosten von 2.000 € entstehen.

Herr Dr. Zain, nochmals vielen Dank für diese Hinweise!

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